Nachdem man auf dem Land ja notorisch unterversorgt ist was die Anbindung an das Internet angeht (DSL 1000 + ISDN war hier in den letzten 10 Jahren das höchste der Gefühle), wurde jetzt das neben befindliche Industriegebiet mit VDSL 50 versorgt. Nicht das wir was davon gehabt hätten. Das VDSL liegt jetzt 500m entfernt und da die Telekom vergessen hat, dass sie ein Kabel aus der Richtung in unser Dorf hat, versorgt sie und jetzt lieber aus der anderen Richtung und da wurde natürlich nicht ausgebaut. Weil es dafür ja keine Förderung gibt. Die 500m entfernten Nachbarn (zwei Häuser!) sind jetzt mit VDSL 50 versorgt – unser Dorf mit ca. 30 Häusern schaut in die Röhre.
So richtig interessiert hat die Situation aber niemanden. Der für die Ausschreibung zuständige Mitarbeiter bei der Stadt meinte, dass der Ausbau ja so teuer wäre und man das nicht ohne Hilfe stemmen kann (die gibt es aber angeblich nur für Industriegebiete). Der für den Kreis zuständige Mitarbeiter hat mir erst was von einer Aussichtsreichen Besprechung mit den Stadtwerken geschrieben und auf meine Nachfrage nach der Besprechung überhaupt nicht mehr geantwortet und die örtliche Zeitung steht sich lieber gut mit der Politik und hat die tollen Leistungen der Stadt gelobt und einfach mal ignoriert, dass es auch kritische Stimmen gibt. Da gab es dann eher noch so dumme Sprüche im Sinne von “vor 20 Jahren ging es auch ohne Internet” zu hören.
Nachdem die Telekom vor einem Jahr bei uns LTE fleißig beworben (jetzt auch bei Ihnen) was allerdings lt. Telekom Netzabdeckung und eigenem Check mit dem iPhone nicht stimmte, haben sie es jetzt still und heimlich an einem ca. 500m entfernten Masten am Rand des Industriegebietes installiert. Nachdem ich das auf der Verfügbarkeitskarte entdeckt habe, habe ich erst mal eine Gegenprüfung mit einem iPhone gemacht. Und siehe da – LTE ist wirklich verfügbar. Da die Telekom momentan auch einen kostenlosten Testtarif mit 6 Monaten Laufzeit – Data Komfort Free – für LTE anbietet (2×1 Monat bis 5GB) habe ich mir zuerst mal den Tarif bestellt, um die Geschwindigkeit zu prüfen. Selbst mit einem USB Stick bei schlechte Positionierung waren 40 MBit Download drin. Ganz neue Dimensionen nach jahrelangem DSL 1000.
In der Vergangenheit wären die Tarife recht uninteressant gewesen (30GB Volumen pro Monat und dann jeweils zusätzlich Bezahlen für weitere 30GB ist bei den heutigen Datenvolumina z.B. im Bereich Onlinegames und Videostreaming lächerlich).
Im Dezember hat die Telekom (auch still und heimlich) Hybrid Tarife ohne Volumenbegrenzung in einigen Bundesländern eingeführt. Das ist eine neue Technik, bei der der Router über eine geteilte Verbindung von LTE und DSL Daten überträgt. Der unterschied zu bisherigen Lösungen ist, dass für die Gegenseite kein Unterschied zu einer Standardverbindung besteht. Es erscheint nur eine IP Adresse nach außen und die Gegenseite muss die Technik nicht unterstützen. Der Router (momentan gibt es nur einen Speedport Hybrid, der das Verfahren beherrscht) teilt den Datenstrom auf und auf der Telekom Seite wird der Datenstrom wieder zusammen geführt, bevor er ins Netz geht.
Nachteil bei dieser neuen Variante ist, dass die Hybrid Tarife ausschließlich IP Tarife sind – das bedeutet vom analogen Telefon muss man sich verabschieden. Der Verzicht auf analoge Telefonie sorgt dafür, dass die freigewordenen Kapazitäten nun für den DSL Anschluss genutzt werden können. Das bedeutet in meinem Fall aus DSL1000 wird DSL 6000 Profil 1 was dann bedeutet 3,5 MBit Download / 2,1 MBit Upload.
Zusätzlich stand bei mir LTE bis zu 150 Mbit auf der Verfügbarkeitskarte und der Hybrid S Tarif mit Speedoption L entspricht somit theoretisch 103,5 MBit Download + 32 MBit Upload, musste ich nicht lange überlegen. Neben der Verfügbarkeit eines VOIP tauglichen Anschlusses mit mindestens 384 KBit sind Annex J und eine genügende LTE Versorgung die Basis für die Bereitstellung eines Hybridtarifes.
Nachdem der Anschluss Mitte Dezember geschaltet wurde, hat sich erst mal Ernüchterung breit gemacht. Der Internet Teil lief (mit rund 45 MBit Download und 15 MBit Upload ohne externe Antenne). Die VOIP Telefonie nicht. Nach einigem hin und her und einem Firmwareupdate des Routers lief dann auch die Autokonfiguration des Routers durch. Die VOIP Nummern gingen aber nach wie vor nicht. Da auch i Kundencenter keine Umleitung der Nummern eingerichtet war, stand fest, dass die Telekom da wohl was verbockt hat. Eine Stunde in der Hotline später war mein Ticket erfasst und die Mitarbeitern versprach mir einen Rückruf des Hybrid Teams am selben Abend oder am nächsten Morgen. Der Rückruf blieb selbstredend aus. Am nächsten Tag passierte nichts. Am darauffolgenden Tag tat sich was. Nach einer “Bestandssynchronisation” im Kundencenter (was auch immer das ist) waren meine ehemaligen ISDN Nummern nun für VOIP verfügbar. Ein Testanruf zu Hause bestätigte auch sofort, dass der Anruf ankam. Nur die Gegenseite konnte nichts hören. Willkommen bei der VOIP Telefonie.
Wo lag die Ursache?
VOIP Telefonie ist bzgl. der Einrichtung nicht so ganz unproblematisch – speziell wenn man den Komfort einer Fritzbox gewöhnt ist und mit dem Telekom Router nicht so recht “warm” wird. Daher hatte ich die Fritzbox hinter den Speedport gehängt und dort die ISDN-Anlage angeschlossen (ganz nebenbei lässt sich eine ISDN Anlage auch nicht an den Speedport anschließen ohne Zusatzadapter). Wenn man aber ein VOIP Gerät hinter einen Router hängt – speziell noch hinter einen Speedport Hybrid, dann wird es spannend.
Die ausgehenden Ports dürfen nicht über LTE laufen. Entsprechende Ausnahmen kann man im Speedport einrichten. Weiterhin müssen die entsprechenden Konfigurationsschritte in der Fritzbox beachtet werden. Zusätzlich müssen im Speedport auch noch die Portweiterleitungen für die eingehenden Ports eingerichtet werden. Die benötigten Ports finden sich hier.
Im Rahmen der Ursprünglichen Probleme mit den Rufnummern habe ich zusätzlich auch eine VOIP Nummer von Sipgate angefordert, als ich noch nicht wusste, dass die Telekom bei der Rufnummernportierung was verbockt hatte. Für Sipgate sind wieder andere Ports als bei der Telekom erforderlich. Zusätzlich zu den hier erwähnten Ports ist auch noch der Port 3478 relevant, da dieser Port für die Kommunikation mit dem Stun Server verwendet wird.
Das heißt es werden Speedportseitig folgende LTE Ausnahmen benötigt:
Port 5060
Port 3478
Port 3479
Port 5004 (nur Sipgate)
Sicherheitshalber habe ich auch die Stun Server stun.t-online.de und tel.t-online.de eingetragen.
Bzgl. der Portfreigaben Richtung Fritzbox werden die folgenden benötigt:
5070
5080
5004
3478
3479
30000-31000
40000-41000
Nach meinen bisherigen Erfahrungen funktioniert die IP Telefonie teilweise (also ab und zu – Einwegkommunikation oder Verbindungsaufbau ohne Sprachübertragung) auch mit weniger Portfreigaben aber dauerhaft stabil ist sie dann nicht. Das beschriebene Konstrukt hat sich in den letzten Wochen als halbwegs zuverlässig erwiesen (genau sagen kann man es nie, weil die Gegenseite ja auch Probleme haben kann).
Der Intenetteil ist bisher sehr zuverlässig. Verbindungsabbrüche sind selten und finden meist nachts statt. Der Ping ist mit 25-30ms sehr gut. Da die Technik und die Routerfirmware noch sehr neu ist, sind sicherlich noch Verbesserungen zu erwarten. Die Stabilität habe ich mit großen Uploads (über 100GB) und Downloads von meinem Server, Onlinespielen und Amazon Instand Video getestet. Bisher lief alles problemlos.
Die interne Antenne des Routers wird unterdessen von einer Dabendorf LTE 1800 Antenne unterstützt, die den Download auf 60-70 MBit und den Upload auf 20-35 MBit angehoben hat (je nach Wetter – Regen ist schlecht, Trockenheit gut, Schnee optimal). Wobei man fairerweise sagen muss, dass die Antenne sich auf der falschen Seite des Hauses befindet und auch nicht auf den Masten zielt, sondern aus dem Fenster.
Sobald eine Fritzbox mit der Hybridfunktionalität verfügbar ist, geht der Telekomrouter (der ist nur gemietet!) sofort an die Telekom zurück.
Folgende Links sind für die Fritzboxeinrichtung hilfreich:
Internetverbindung eines anderen Routers mit der Fritzbox nutzen
Mit Fritzbox telefonieren, wenn ein anderer Router die Internetverbindung herstellt
Fritzbox am IP basierten Anschluss einrichten
Fazit:
Bisher hat sich das Experiment Hybrid gelohnt. Die VOIP Telefonie war anfangs sehr holprig aber momentan scheint es zu laufen (überzeugt von absoluter Stabilität wie bei einem “richtigen” Telefonanschluss bin ich aber nicht). Der Internetteil ist extrem schnell. Allerdings kann sich das auch schnell ändern, wenn die LTE Zelle durch weitere Benutzer mehr ausgelastet wird. Ich hoffe also nach wie vor, dass die letzten 500m – ach nein wir werden ja aus der anderen Richtung versorgt – irgendwann von der Telekom noch in Angriff genommen werden und wir VDSL 50 bekommen.