Anfang September 2012 habe ich an einen 3-Tages-Schnuppertörn auf der Thor-Heyerdahl teilgenommen. Die Thor-Heyerdahl ist ein 3-Mast-Toppsegelschoner.
Im Gegensatz zu Kreuzfahrtschiffen ist anpacken hier nicht nur erwünscht, sondern für jeden mitreisenden auch Pflicht. Das hat aber den Vorteil, dass man erlebt was zum Segeln so alles dazu gehört. Das geht von der Knotenkunde über das Segel setzen, bis zum Kombüsendienst und zum reinigen der Toiletten. Auf der Thor steht das Erlebnispädagogische Konzept im Vordergrund – d.h. wissen wird vermittelt und gleichzeitig soll das ganze Spaß machen. Die Übernahme von Verantwortung soll gefördert werden. Primär richtet sich das Konzept also an Jugendliche, für die auch die meisten Fahrten angeboten werden. Das Highlight ist sicherlich die Wintertour über den Atlantik in die Karibik und wieder zurück. Bei dieser Tour findet der Schulunterricht, neben dem Schiffsbetrieb “unter Segeln” statt.
Nun zurück zu meinen eigenen Eindrücken auf der Thor. Nachdem ist zu dem Schnuppertörn ca. eine Stunde vor Abfahrt eingetroffen bin, war ich der letzte Ankömmling. Damit hatte ich nicht gerechnet. Wie sich später zeigte, gehörten fast alle anderen Teilnehmer zu einer Erwachsenenfortbildungsgruppe der katholischen Kirche. Nachdem wir angekommen waren, kamen wir in den kurzen Genuss einer Schiffsführung. Im groben alles wie ich es mir vorgestellt hatte, außer den Kabinen, Toiletten und Betten, die sind schon echt klein. Wenn man mal vorher ein altes Schiff besichtigt hat, dann kommt das dem Eindruck recht nahe.
Anschließend gab es ein kleines Begrüßungsgetränk und alle mitreisenden wurden in Wachgruppen eingeteilt. Dieses Konzept wird auf den meisten Traditionssegelschiffen verfolgt. Die Idee ist, dass auf einem Schiff (speziell auf einem Segelschiff) rund um die Uhr jemand wach sein muss, der in eine Gefahrensituation reagieren oder zumindest die anderen Wecken kann. Der Wachdienst ist i.d.R. in 6 Einheiten pro Tag eingeteilt, jeweils 4 Stunden tagsüber und 4 Stunden nachts. Also startent von 12:00 Mittags bis 16:00. Die selbe Gruppe, die diesen dienst hat, ist auch für die Wache nachts zur selben Zeit zuständig. Die sogenannte “Hundewache”. Alle anderen Wachen funktionieren analog. Spätestens jetzt wird einem klar, Erholungsurlaub geht anders 😉
Nachdem das erledigt war und die Kabinen eingeteilt waren (ich war mit zwei anderen in einer 4er Kabine), könnten wir aus dem Hafen Richtung Ostsee fahren (Ausgangspunkt war Kiel, der Heimathafen der Thor) – vorerst mit Motorkraft. Nachdem wir ein Stück vom Liegeplatz weg waren und somit etwas mehr Wasser um uns war, kam der Befehl vom Kapitän – “Segel Setzen”. Somit wurden unter Anleitung der “Stammcrew” die ersten Segel gesetzt. Stammcrew ist etwas irreführend, da auf der Thor die Crew nur aus “freiwilligen” besteht und es somit keine feste Crew gibt. Für Jede Wachgruppe gibt es einen Erfahrenen Wachgruppenleiter, einen Stellvertreter (Copi) und zwei Deckshände, die noch nicht so viel Erfahrung haben. Die 4 beschäftigen sich somit bei den ersten Manövern damit, die Gäste von den gröbsten Dummheiten abzuhalten. 🙂
Doch zurück zum Segelsetzen – spätestens jetzt kommt echtes Segelgefühl und der Spaß auf. Das Segelsetzen ist zwar echt harte arbeit, bei der alle – im wahrsten Sinne – an einem Strang ziehen müssen. Anschließend wird man dann aber auch mit dem Einblick eines sehr schönen Schiffes belohnt, dass nun auch endlich ausschließlich mit der Kraft des Windes fährt. Direkt nach dem Segel setzen (ein “All Hands Manöver” aller Wachgruppen), nimmt die erste Wachgruppe ihren dienst auf uns ist nun allein für den Fahrbetrieb zuständig. Das heißt jemand übernimmt das Ruder und den Ausguck auf dem Backdeck. Zusätzlich müssen beim Segelbetrieb natürlich immer die Segel im Auge behalten werden.
Während des Segel Setzens bin ich ganz nebenher in den Genuss gekommen, auf den Klüverbaum zu klettern (für die Landratten das ist vorne das Stück Holz mit dem Netz drunter, dort könnte ich Stunden verbringen!). Das ist Entspannung pur mit dem Meer unter sich – zumindest bei schönem Wetter. 😉
Für die nicht an der Wache teilnehmenden kommt nun die erste Ruhephase und um 19:00 das erste gemeinsame Essen. Auch hier wird klar – Urlaub auf einem Traditionssegler ist nichts für Kontaktscheue. Die Messe ist für knapp 50 Leute (Stammcrew + Gäste) genau passend. Man sitzt Rücken an Rücken und so eng, dass von der Combüsencrew bedient werden muss. Es wäre einfach nicht genug Platz, wenn jeder durch die Gegend rennen würde. Das essen schmeckt übrigens sehr gut – da haben wir ja Glück, dass wir auf dieser Tour einen gelernten Koch dabei haben.
Nach dem Essen ist wieder etwas Freizeit angesagt. Ich nutze die Zeit und genieße den Sonnenuntergang. Danach ist es erstaunlich lange hell. Nachdem wir nun etwas weiter draußen sind, ist es auch deutlich ruhiger um uns herum.
Erst um 10:00 kommt leichte Hektik auf. Der Kapitän hat entschieden, dass wir mit so einem Haufen Landratten nachts nicht unter Segeln fahren, sondern ankern. D.h. um ca. 10:00 dürfen in einem “All Hands Manöver” noch mal alle ran um die Segel wieder einzuholen. Das einholen der Segel erfolgt übrigens schon teilweise mit Beleuchtung, was es für uns Frischlinge noch mal etwas schwieriger macht. Übrigens: Wer jetzt denkt dass das wesentlich weniger Arbeit ist, als das Segel setzen, der irrt. Da ich um 0:00 meine erste Wache habe und noch nicht wirklich müde bin, entschließe ich mich einfach wach zu bleiben. Vor meiner Wache führe ich einige interessante Gespräche mit einem Mitreisenden auf dem Backdeck und genieße den Sternenhimmel, den man sogar mal sieht, wenn um einen Rum alles leuchtet.
Meine Wache ist relativ unspektakulär. Da es sich um eine Ankerwache handelt, muss nur die halbe Wachgruppe ran und dadurch auch nur für 2 Stunden. Bei einer Ankerwache fallen lediglich Routinetätigkeiten wie Temperaturmessungen, Wetterbeobachtungen, Positionsbestimmung, Prüfungen auf Undichtigkeiten usw an. Als ich somit um 2:00 in Bett klettere (meins war oben), ist der Tag auch lange genug gewesen.
Am folgenden Tag zeigt sich nach dem Wecken um 7:00 das wir tolles Wetter haben. Beim Frühstück schaut der Kapitän vorbei und teilt uns mit, dass er möglichst schnell segeln möchte, um das tolle Wetter zu nutzen. Doch bevor wir zum Spaßteil übergehen können, steht zuerst die tägliche Schiffsreinigung an, bei der jeder (außer dem Kapitän und seinem Stellvertreter) mithelfen muss. Anschließend setzen wir wieder die Segel und erleben einen Tollen Segeltag mit genug Wind und tollem Wetter. Am Nachmittag besteht als Highlight noch die Möglichkeit in den Hauptmast zu klettern (mit Sicherung) und die Aussicht zu genießen, die ich natürlich nutze.
Der Tag klingt mit einer gemeinsamen Feier aus, nach der dann einige der Mitreisenden nicht mehr in der Lage waren, ihre Wache zu übernehmen. In der nach haben wir die Stellung somit mit verminderter “Gruppenstärke” angetreten. Dafür allerdings unter einem wunderbar klaren Sternenhimmel in absoluter Ruhe. Nachdem ich dann nach der Wache in die Kabine komme, wird mir auch klar, wie es nach mehreren Wochen auf einem Segelschiff gerochen haben muss. Die Lüftung ist nachts aus, da der Stromgenerator nicht läuft und somit Strom gespart werden muss. Meine beiden Kabinengenossen haben kräftig mitgefeiert und so riecht es in der Kabine auch.
Am dritten Tag zeigt sich, dass der Törn viel zu kurz war und ich nun lust auf mehr Meer habe. Morgen hüpfe ich nach dem Wecken direkt aus dem Bett um mich wenigstens zu duschen bevor ich wieder an Land gehe. Duschen mangels unendlichen Wasserressourcen auf einem Segelschiff nicht täglich, auch wenn sich einige Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts in den drei Törntagen nicht mit der Regelung anfreunden konnten. Ich habe zumindest Glück und eine Dusche ist direkt nach dem Aufstehen noch frei. Puh!
Das Highlight am dritten Tag ist das Anlegemanöver im Hafen, das auch nicht so einfach ist, wenn man es zum ersten Mal in Angriff nimmt!
Auf der Fahrt zurück mit der Bahn zeigt sich mal wieder, wie die Bahn den Ruf nicht pünktlich zu sein, erlangt hat. Zum Glück brauche ich keinen Anschlusszug. Weiterhin fallen aufgrund des extremen Außentemperaturen von maximal 27 °C gleich mehrere Klimaanlagen aus, weshalb wir mehrfach länger Stoppen müssen, damit die Fahrgäste in andere Wagons gebracht werden können. Da hatte ich ja Glück, dass die Klimaanlage im meinem Wagen schon vorher defekt war und ich gleich erste Klasse reisen konnte.
Im Zug benutze ich auf der Rückfahrt die Behindertentoilette und denke mir nur wie verschwenderisch groß hier doch alles ist. Da zeigt sich mal wie schnell man sich an die Enge gewöhnt. Was mir am Abend allein in meinem Zimmer auch auffällt – auch wenn einem das Gewusel um einen rum und das man keine Privatsphäre hat nach einer Zeit sicher auf den Keks geht – es fehlt einfach das Gewusel um einen rum.
Bilder finden sich übrigens in der Galerie.